Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes zum Abschied von Marktkirchenpastorin Hanna Kreisel-Liebermann in den Ruhestand.
„Was willst du, dass ich dir tue?“ Jesus fragt das den blinden Bartimäus, nachzulesen im Markusevangelium (Markus 10,51). Hanna Kreisel-Liebermann hat das auch gefragt. Eine ihrer vielen Begabungen ist dieser Zug an ihr: Menschen, denen es schlecht geht, zu fragen: „Was willst du, dass ich Dir tue?“ Ungezählte Wohnungslose fragten sie das, und sie half. Unkompliziert. Zuletzt durch die Öffnung der Marktkirche im Winter. Geflüchtete lagen ihr am Herzen, sie kümmerte sich und half viel im Stillen. Politisch hingegen war sie nicht leise. Sie ist da, wenn es Ungerechtigkeiten in der Welt zu beklagen gibt. Mahnwachen, Friedensgebete, auch dafür stehen die 17 Jahre von Hanna Kreisel-Liebermann als Pastorin.
Gerne hat sie Ausstellungen organisiert. Das Gespräch mit der Kunst, die Verortung der Marktkirche als bedeutenden Kulturträger in der Stadt ist ihr wunderbar gelungen. Sie hat die Kirche zu einem Ort des Dialogs gemacht – nicht nur durch die Erfindung des Adventskalenders als Ruhepol inmitten der trubeligen Adventszeit, sondern auch durch öffentliche Gespräche, Bürgerpredigten und Lesungen von Persönlichkeiten der Stadt und der Zeitgeschichte. Im interreligiösen Gespräch ging sie voran. Das Frauenmahl an der Marktkirche machte sie möglich, kurz: Die Marktkirche war ihr immer gleichzeitig Ort von spirituellen Gottesdiensten und gesellschaftlicher Auseinandersetzung. Sie hat zusammen mit dem Kirchenvorstand viel ermöglicht.
So eine Kirche erhält sich nicht von allein. Als Beispiel sei nur der Einbau der Chororgel genannt – verbunden mit einer Neukonstruktion der Empore. Weiter ging es mit der Goll-Orgel, aber auch der Renovierung der Kreuzkirchenorgel. Große Projekte, aber am Ende auch große Zufriedenheit. Der Kindergarten der Marktkirche wurde erweitert, modernisiert. 2018 dann die Eröffnung der „Landtags Lüttje“-Krippe, Ergebnis einer guten nachbarschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischem Landtag.
Ich könnte und müsste noch viel aufzählen: Die Citykirchenarbeit vor Ort und international, die Unterstützung des Reformationsfensters, der Kirchentag 2005 – das „Kirche überfüllt“-Schild wird heute noch genutzt. Talk am Mittwoch und geistliche Impulse aus der Marktkirche während der Pandemie, die Förderung der ausgezeichneten Kirchenmusik, ihr geliebter Bachchor, die Weiterentwicklung des Veranstaltungsmanagements, die Kirchenpädagogik, die ihr am Herzen lag – aber das mag an anderer Stelle geschehen. Sicher auch am Sonntag, dem 13. Juni 2021. Denn dann wird sie um 15 Uhr in „ihrer“ Marktkirche verabschiedet.
Ausgemacht hat sie aber ihre tiefe innere Verbundenheit mit den Menschen. Wenn sie durch die Innenstadt geht, hebt sie ihren Arm ein ums andere Mal – sie kennt die Menschen und sie sind ihr wichtig. Sie ist eine Frau, die weiß, was sie will, und die ihr Herz am rechten Fleck hat.
„Was willst du, dass man dir tue?“ – 17 Jahre hat Hanna Kreisel-Liebermann diese Frage durch ihre Arbeit auf ihre Art eindrucksvoll beantwortet.
Danke, Hanna!
Rainer Müller-Brandes, Stadtsuperintendent