Ein Pakt mit dem Teufel
Viele Jahrhunderte lang war es üblich, dass die Bürger der Stadt ihrer Kirche größere oder kleinere Kunstgegenstände, Altäre oder ganze Kapellen schenkten; häufig als Dank für Gottes Segen, als Vorsorge für das eigene Seelenheil oder als Ausdruck tiefer Verbundenheit mit ihrer Gemeinde.
Für seine Großzügigkeit bekannt ist sicherlich der hannoversche Kaufmann Johann Duve, der den 1630 durch einen Sturm umgeworfenen Turmaufsatz der Kreuzkirche erneuerte. Darüber später einmal mehr.
Von den Spendern werden häufig – wenn überhaupt - nur noch die Namen überliefert. Die Geschichten zu ihren Lebensumständen und Motiven verschwinden ebenso wie die Kunstgegenstände selbst in den Museen und Magazinen. So erging es auch der silbernen Taufschale von 1664, die viele Jahre im Historischen Museum ausgestellt war. Sie wurde einst der Kreuzkirche gespendet und gelangte bei der Zusammenlegung der Innenstadtgemeinden in den Besitz der Marktkirche.
Die Recherchen in alten Gerichtsakten an der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität führten Prof. Dr. Sascha Ziemann zu…
…einer Faustgeschichte aus dem alten Hannover
Eine aus Silber getriebene Schale mit Blumenornamenten, der man trotz sichtbarer Patina nicht ansieht, dass sie über dreihundert Jahre alt ist. Sie gehörte zu den Ausstattungsgegenständen der Kreuzkirche und befindet sich seit einigen Jahren als Leihgabe im Bestand des Historischen Museums Hannover. Geschaffen wurde die Schale von dem Hannoverschen Goldschmied und späteren Münzmeister Andreas Scheele. Wie die am Rande laufende Inschrift verrät (ZU EHREN DER HEILIGEN TAUFE HABEN HANS KUMME UND ILSE NORTMEYERS DIS GEFES IN DIE KIR-CHE ZUM HEILIGEN KREUTZ IN HANNOVER GEBEN ANNO 1664), wurde von Hans Kumme und Ilse Nortmeyer im Jahre 1664 der Kreuzkirche als Taufschale gestiftet. Die Schale, die es aufgrund ihres ansprechenden Äußeren wert wäre, (wieder) einem größeren Publikum gezeigt zu werden, hat möglicherweise einen spannenden Hintergrund, der derzeit von Prof. Dr. Sascha Ziemann von der Leibniz Universität Hannover näher erforscht wird. Nach seinen Recherchen könnte nämlich die Tauf-schale den Willen der beiden Stifter zum Ausdruck gebracht haben, ihre Dankbarkeit über den glimpflichen Ausgang eines Strafverfahrens gegen ihren Sohn Johann Ernst Kumme zu zeigen, das einige Jahre zuvor in Hannover geführt worden war. Diesem war nämlich 1657 vorgeworfen worden, einen Pakt mit dem Leibhaftigen, dem Teufel, geschlossen und diesem seine Seele angeboten zu haben. Die Beweislage war belastend, da in Kumme Helmstedter Studentenbude unter anderem ein handschriftliches Vertragsdokument und ein Exemplar der gedruckten Lebensgeschichte des legendären Schwarzkünstlers und Teufelsbündlers Dr. Faust gefunden worden waren. Was uns heute wie ein dummer Jungenstreich erscheint und vielleicht ein ernstes erzieherisches Gespräch zur Folge gehabt hätte, war in der frühneuzeitlichen Welt des 17. Jahrhunderts eine ernste Sache. Denn der Pakt mit dem Teufel galt als Hexenwerk, das nach dem damaligen Rechtsverständnis mit dem Tod bestraft werden konnte. Das von den Geschworenen der Stadt Hannover geführte Verfahren nahm über zwei Jahre in Anspruch und wurde zu einer harten Bewährungsprobe für den Beschuldigten und seine Familie, die eine angesehene Kaufmannsfamilie aus Hannover war. Am Ende ging die Angelegenheit einigermaßen glimpflich aus, was sicher auch mit den umfangreichen Bemühungen des sich selbst verteidigenden Studenten zu tun hatte, der unter anderem auf Unzurechnungsfähigkeit wegen krankhafter Schwermut plädierte. Dem Beschuldigten wurde von Seiten des Rats der Stadt Hannover aufgegeben, sich durch einen Eid förmlich von dem Vorwurf zu distanzieren und ein Strafgeld in Höhe von einhundert Reichstalern zu zahlen; außerdem sollte er in einem Gewissensgespräch mit städtischen Geistlichen Reue zeigen und sein Fehlverhalten reflektieren. Nachdem der Beschuldigte und seine Eltern die Forderungen erfüllt hatten, wurden die Akte geschlossen und das Verfahren im Jahre 1660 eingestellt. In Hannover war dem Beschuldigten gleichwohl keine Zukunft beschieden: nach einem Aufenthalt bei Bekannten in Brabant zog es den Hannoverschen Bürgersohn nach Westfalen in die Reichsstadt Dortmund, wo er, wie die Quellen vermerken, im Jahre 1662 eine Anna Sybille Kranich ehelichte und wenig später auch das Bürgerrecht erwarb. Das weitere Schicksal ist nicht bekannt; die städtischen Steuerzahlungen als externer Bürger enden 1680. Es wäre eine schöne Fügung, die durch die Eltern vorgenommene Stiftung der Taufschale in Verbindung zu dieser Angelegenheit zu sehen und sie gleichsam als Sinnbild zu sehen für die Wiedererrichtung des durch den Pakt aufgehobenen Taufbundes.
Prof. Dr. Sascha Ziemann, Leibniz Universität Hannover
Sylvia Hartje, Kirchenvorstand